Mit Hilfe von Inertialsensoren können Veränderungen innerhalb der zeitlichen Struktur der Skilanglauftechniken nachgewiesen werden. Daraus lassen sich u.a. Optimierungskriterien für die sportliche Technik ableiten. Dies wurde von der Universität Leipzig in einem vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderten Projekt untersucht.
Woher kommt die Idee?
Der Trend im Skilanglaufrennsport geht aus trainingsmethodischer Sicht mehr dahin, zusätzliche Leistungsreserven vor allem im Bereich der Trainingsqualität zu erschließen. Die Veränderung von Bewegungsabläufen und Ökonomisierung der Lauftechniken spielen dabei eine zentrale Rolle. Für die Erfassung von Bewegungsabläufen werden vermehrt Sensoren eingesetzt. Anhand von typischen Mustern können Informationen über die Bewegung gegeben und z.B. Technikfehler, erkannt werden. Veränderungen der Technik unter sich verändernden Bedingungen im Wettkampf, wie Geschwindigkeitszunahme oder Ermüdung, waren bisher kaum Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen. Ziel der Projektarbeit ist es daher, mit Hilfe von Inertialsensoren Veränderungen von Technikparametern unter dem Einfluss von Geschwindigkeitserhöhung und physiologischer Ermüdung zu erfassen.
Wie sieht die Untersuchungsmethodik aus?
In den Untersuchungen kam ein Inertialmessanzug der Firma Xsens (Enschede, Niederlande), bestehend aus 17 Inertialsensoren (±50 ms-2, ±1200 °/s), zum Einsatz. Dieses System basiert auf der Erfassung der Ganzkörperbewegung und muss vor jeder Untersuchung am Sportler angebracht und kalibriert werden. Die für die durchgeführten Untersuchungen nötigen Informationen konnten auf den Einsatz von sechs Messeinheiten reduziert werden. Eine Reduzierung der Anzahl an Sensoren war von Beginn an ein wichtiges Projektziel, um eine einfachere Handhabung zu ermöglichen und die Praxistauglichkeit zu verbessern.
Wenn es gelingt, den Kniewinkel, der derzeit zur Eventdetektion noch unverzichtbar ist, durch andere Signale zu ersetzen, ist eine weitere Reduktion der Sensorenanzahl auf fünf möglich. Der Inertialmessanzug erfasst Beschleunigungs- und Winkelgeschwindigkeitssignale aller Segmente und berechnet zusätzlich aus den vorhandenen Informationen über die Positionierung, Segmentparameter und die Messdaten die Gelenkwinkel für die großen Gelenke. Mittels phänomenologischer Betrachtungen identifizierte Polenz (2013) typische Muster in den Signalverläufen anhand derer die nach Lindinger (2006) definierten Bewegungsereignisse der Skilanglauftechniken, z.B. Stock- und Skisetzen, detektiert werden können. Die Gyroskopdaten liefern dabei zuverlässigere Ergebnisse als die Beschleunigungsdaten. Die weitere Verarbeitung der Daten erfolgte in R-Statistics 3.3.1 und R-Studio 1.0.136. In Kooperation mit der HTWK-Leipzig wurde eine Auswertroutine entwickelt, die die Ereignisse aus den Signalen automatisch extrahiert und damit den Auswertungsaufwand enorm minimierte. In diesem Schritt wurde auf die Rohdaten der Sensoren zurückgegriffen, um möglichst unberührte Signale zu verwenden. Hier ist allerdings zu erwähnen, dass der Zugriff auf die Originaldaten bei der Firma XSens derzeit nicht mehr gewährleistet wird. Das sollte bei der Auswahl der Sensoren berücksichtigt werden.
Welche Ergebnisse wurden erzielt?
Das im Projekt entwickelte Verfahren zum messtechnischen Vorgehen und die zugehörige Auswertung sind geeignet, um Technikveränderungen zu erfassen. Die durchgeführten Untersuchungen konnten zeigen, dass direkt provozierte technische Veränderungen anhand von Sequencing und Timing nachgewiesen werden können. Das Inertialssensorsystem ist außerdem in der Lage, Veränderungen innerhalb der zeitlichen Struktur aufzuzeigen und somit wichtiges Feedback für eine entsprechende Korrektur zu gewährleisten. Beispielsweise ist es möglich, Aussagen über die zeitliche Koordination von Körperteilbewegungen zu treffen und damit Optimierungskriterien für die sportliche Technik abzuleiten.
Welche Anwendungen & Transfermöglichkeiten ergeben sich?
Fernziel ist es, aus dem Messsystem eine Art Online-Monitoring zu entwickeln, welches den Trainern ein Sofort-Feedback ermöglicht. Daraus ergeben sich große Vorteile gegenüber einer klassischen Videoanalyse. Der Aufwand ist nicht nur enorm minimiert, der Trainer hätte die Möglichkeit umgehend Hinweise an seine Sportler zu geben und sogar mehrere Sportler gleichzeitig zu betreuen. Da kein permanenter Sichtkontakt oder eine starre Fixierung der Kamera notwendig ist, kann die Technik auf der gesamten Strecke erfasst und beurteilt werden. Das Training kann somit deutlich effektiver gemacht werden.
Des Weiteren lassen sich mit Hilfe des Messsystems Seitendifferenzen aufdecken. Erfolgt beispielsweise die Abdruckphase im Skating auf der dominanten Seite schneller? Werden die Stöcke auf beiden Seiten synchron gesetzt? Ein Transfer des messtechnischen Vorgehens ist insbesondere für andere zyklische Sportarten, wie leichtathletische Laufdisziplinen, Rudern oder Eisschnelllauf denkbar. Dabei könnte auf das methodische Vorgehen dieser Projektarbeit zurückgegriffen werden. Für den Skilanglauf wären die Kombination des Messsystems mit Stockkraftsensoren oder auch Kraftsensoren im Ski eine sinnvolle Ergänzung zu dem vorhandenen Sensorsystem. Mit diesem Schritt könnten die in diesem Projekt erarbeiteten Ergebnisse zu einem reliablen, rückwirkungsfreien Messsystem komplettiert werden.
Kontakt:
Alexandra Eberhardt
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