In den letzten Jahren etablierte sich das Foam Rolling zunehmend in der Regenerationspraxis des Spitzen- und Amateursports sowohl nach ausdauer- als auch kraftorientierten Belastungen. Der Grund hierfür liegt in der einfachen und selbstständigen Durchführbarkeit (z. B. im Vergleich zur artverwandten Massage).
Foam Rolling bietet Athleten*innen die Möglichkeit einer gezielten und selbstständigen Massage von bestimmten Muskelgruppen zur Vor- und Nachbereitung von Training und Wettkampf. Hierzu existiert bereits eine umfangreiche Produktpalette aus Rollen, Bällen und Formkombinationen, die eine Applikation der Selbstmassage an großen, oberflächlich gelegenen Muskelstrukturen ermöglicht. Die Empfehlungen bezüglich der Anwendungsdauer und des Anpressdrucks sind variabel und sowohl direkt abhängig von der Art der vorrangegangenen Belastung als auch der individuellen Schmerzaffinität. Überwiegend werden Protokolle mit einer Anwendungsdauer von 30 bis 60 Sekunden pro Muskelgruppe angewendet, wobei dieser Vorgang häufig nach kurzen Pausen bis zu dreimal wiederholt wird. Das Ausrollen vom distalen zum proximalen Ansatzpunkt des Muskels und zurück geschieht dabei mit gleichbleibender, langsamer Geschwindigkeit, was entweder der subjektiven Einschätzung des Ausführenden überlassen oder durch Hinzunahme eines Metronoms bzw. verbaler Instruktion sichergestellt werden kann. Eine nicht veröffentliche Untersuchung der REGman-Gruppe zeigte sogar, dass zu starker Druck beim Foam Rolling bzw. wenn das Foam Rolling zu schmerzhaft durchgeführt wird, den Muskelkater noch verstärken kann. Des Weiteren wird anekdotisch geäußert, dass das Foam Rolling in „falscher Richtung“ (weg vom Körperkern) in einer Schädigung der Venenklappen resultiert. Hierfür existieren bisher keine Beweise.
Studienlage
Eine aktuelle Meta-Analyse zeichnet ein überwiegend positives Bild hinsichtlich der akuten und kurzfristigen regenerativen Wirksamkeit von Foam Rolling (Wiewelhove et al., 2019). Sowohl die Beweglichkeit der mittels Foam Roller behandelten Strukturen im Aufwärmprogramm, als auch der subjektiv empfundene Muskelschmerz nach sportlichen Belastungen konnten positiv beeinflusst werden (Healey et al., 2014; Pearcey et al., 2015). Demgegenüber ist der Einfluss von Foam Rolling auf die Leistungsfähigkeit von Athleten*innen bisher nicht einheitlich dokumentiert. Einerseits existieren Befunde, die Foam Rolling eine beschleunigte Wiederherstellung der Sprint- und Sprungleistungsfähigkeit attestieren, andererseits widersprechen weitere Studienergebnisse diesem leistungsfördernden Effekt (Pearcy et al., 2015). In diesem Zusammenhang wird die Annahme diskutiert, dass die Effekte des Foam Rollings nicht hauptsächlich durch Veränderungen der Muskelperipherie, sondern vielmehr durch eine Optimierung der neuronalen Reizweiterleitung und einer geordneten Remodulation des myofaszialen Gewebes zu erklären sind (Beardsley & Škarabot, 2015; Macdonald et al., 2013; MacDonald et al., 2014). Bislang liegen hierfür allerdings noch keine direkten Beweise vor.
Physiologischer Hintergrund
Foam-Rolling soll Veränderungen auf neurologischer, physiologischer, mechanischer und psychophysiologischer Ebene (z.B. gesteigertes Wohlbefinden ggf. infolge einer Erhöhung der Plasmakonzentration von Endorphin oder eines Placeboeffekts) bewirken. Der gesteigerte Blutfluss (u. a. infolge einer parasympathisch ausgelösten Vasodilatation) kann die Entstehung von Inflammationsherden reduzieren und so einer Ödembildung entgegenwirken. Dieser Vorgang würde eine Entlastung der faszialen Gewebestrukturen bewirken und in der Schonung drucksensitiver Schmerzrezeptoren resultieren (Pearcey et al., 2015). Zusätzlich soll die Bildung von Adhäsionen zwischen den Faszienschichten durch eine Viskositätsverminderung der Interstitialflüssigkeit minimiert werden. Hierdurch ließe sich die Arbeitsweise des Muskel-Faszien-Komplexes ökonomisieren (Macdonald et al., 2013; MacDonald et al., 2014). Die genannten potentiellen Wirkmechanismen konnten allerdings bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Nur auf neurologischer Ebene konnte die systemisch wirkenden Schmerzmodulation (anageltische Wirkung) durch Foam Rolling infolge einer Desensibilisierung von Schmerzrezeptoren und/oder infolge der sog. Diffuse Noxious Inhibitory Control (Schmerz hemmt Schmerz) nachgewiesen werden (Aboodarda et al., 2015; Cavanaugh et al., 2017; Wiewelhove et al., 2019).
In dieser Beitragsserie berichten wir über einzelne Ergebnisse des sogenannten REGman-Projekts (Regenerationsmanagement im Spitzensport) um die Projektgruppe von Prof. Dr. Tim Meyer (Universität des Saarlandes), Prof. Dr. Alexander Ferrauti (Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr. Michael Kellmann (Ruhr-Universität Bochum) und Prof. Dr. Mark Pfeiffer (Johannes Gutenberg-Universität Mainz). Die anderen Teile der Beitragsserie finden Sie hier:
Teil 1: Power Naps
Teil 2: Sportmassage
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