Stoß- und Anprallverletzungen im Kopfbereich gehören in zahlreichen Sportarten zum Alltag in Training und Wettkampf. Solche Gehirnerschütterungen werden durch eine direkte Krafteinwirkung auf den Kopf, das Gesicht oder die Hals-Nacken-Region hervorgerufen. „Leichte“ Schädel-Hirn-Traumen (SHT) lassen sich nur erschwert eindeutig diagnostizieren bzw. werden häufig bagatellisiert.
Sie werden daher oftmals nicht erkannt, nicht entsprechend therapiert und die betroffenen Athleten häufig zu schnell wieder in den Trainings- und Wettkampfprozess integriert. Dies kann nicht nur im Spitzensport, sondern auch im Breitensport für die Athletinnen und Athleten fatale Folgen haben. Vor allem bei Sportlern in Kampf- und Kontaktsportarten führt diese zerebrale Verletzung oft zu langfristigen Schäden.
WISS hat deshalb bereits in der Vergangenheit wearable-basierte Messsysteme zur Diagnostik von Gehirnerschütterungen vorgestellt (siehe hier und hier). Das US-Unternehmen SyncThink stellt nun mit Eye-Sync ein Assessment-Tool vor, mit dessen Hilfe nach Angabe des Herstellers an der Seitenlinie innerhalb von 60 Sekunden mobil und kabellos eine objektive Untersuchung hinsichtlich eines Schädel-Hirn-Traumas durchgeführt werden kann.
EYE-SYNC wurde von Dr. Jamshid Ghajar MD, Ph.D. von der Stanford University entwickelt und kombiniert den Einsatz eines VR-Headsets mit Eye-Tracking Technologie. Dabei werden okulomotorische Synchronisationsdefizite zusammen mit anderen Schlüsselindikatoren eines Schädel-Hirn-Traumas getestet. Die Technologie, die zuerst in der College-Leichtathletik der USA eingeführt wurde, wird zunehmend auch im Profisport eingesetzt: So nutzen die The Golden State Warriors als erstes NBA-Team EYE-SYNC zur Diagnostik von Gehirnerschütterungen ihrer Spieler.
Eine tolle Idee, Sakkadometrie für Trainer und Betreuer handhabbar und im Feld einsetzbar zu machen. Solche Sideline-Quick-Assessments, wie auch der King-Devicks-Test, gehören meiner Ansicht nach ins Handgepäck der Teamausstattung. In der Praxis wird nach Stürzen oder Kollisionen zu oft weitergespielt, weitergefahren, weitergesprungen - Athleten wollen ihren Start- oder Stammplatz nicht verlieren, es herrscht Leistungsdruck, sie wollen "hart im nehmen" sein. Ein Assessment liefert schnell objektive Informationen. Wenn ein Verdacht besteht und der Test nicht bestanden wird, dann wird der Athlet herausgenommen und weitere Untersuchungen sowie eine Rehabilitation der Funktion muss folgen.
Ich denke, dass der Einsatz eines solchen Systems mehr Gehirnerschütterungen aufdeckt und somit den Athleten besser schützt.
Diese Maschine kenne ich noch nicht. Das Prinzip dahinter sehr wohl, wir in der Neurologie aber auch die HNO setzten die Untersuchungsmethode noch viel exakter ein in der Elektronystagmographie (ENG). Die Augenbewegungen (konjungierte Bewegungen, Blickruckbewegungen, glatte Folgebewegungen, Rückstellbewegungen, Rotation, Versatz) verraten sehr viel über Schädigungen. Die Autoindustrie versucht auch müde Fahrer via Kamera im Cockpit zu erkennen. Problematisch wird es bei Schielern, bei Augenfehlstellungen, Brillenträgern, Augenasymmetrie ….
Zunächst zur Physiologie und Neuroanatomie: Das Gleichgewicht setzt sich aus verschiedenen Untersystemen zusammen (Augen für die Orientierung im Raum, Gleichgewichtsorgan im Innenohr, Gehirn als zentrale Koordinationsstelle und die Extremitäten für die körperliche Reaktion).
Meine Kritikpunkte an Eye-Sync:
•es erfasst nur die konjungierte Blickfolgebewegungen und nicht die gesamte Okulo- und Pupillomotorik
•es lässt wesentliche Punkte wie Gleichgewicht und Orientierung sowie mögliche Bewusstlosigkeit komplett außen vor
•isolierte Großhirnschädigungen, Blutungen zwischen den Hirnhäuten werden nicht erfasst (können lebensbedrohlich sein)
•dass, wie im Werbevideo gesagt, Kopfschmerzen erkannt werden, ist sicher nicht richtig, da muss der Kopf schon sehr weh tun, damit die Blickfolgebewegungen nicht mehr funktionieren, zudem entwickelt sich der Kopfschmerz meist
Fazit:
•als Zusatzdiagnostikum denkbar
•als bedside test bzw. „courtside“ test müsste es vor Ort vorhanden sein
•es gaukelt eine scheinbare Sicherheit vor und verleitet bei fehlendem Befund zur Fehleinschätzung
•an der Sensitivität muss stark gezweifelt werden
•ausreichende wissenschaftliche Evidenz liegt in der Literaturrecherche derzeit nicht vor